Samstag, 30. Januar 2010

Laowai

Das ist das Wort für das, was ich hier in Beijing bin, nämlich eine Ausländerin.

Wenn ich etwas einkaufen will, dann ist es für Laowai oft ein bisschen teurer. Wenn ich durch die Strassen gehe, dann sehen die Menschen mir nach. Im Bus bleibt der Platz neben mir frei, und sehe ich mir eine Touristenattraktion an, dann wollen die Chinesen vom Land oft ein Foto von mir haben.



Immer wieder höre ich auch, wie sie darüber mutmassen, woher ich komme. Russland vielleicht, oder Amerika... die Schweiz ist viel zu klein, darauf hat noch niemand getippt.

Die Chinesen sind freundlich und schon mancher hat mich angesprochen um sein English auszuprobieren und von der grossen Welt zu erfahren.



Ich bin nun also eine Ausländerin... Glücklicherweise sind die meisten Chinesen Ausländern gegenüber positiv eingestellt. Wir sind hier sehr privilegiert. Ich habe auch noch nie einen Chinesen sagen gehört, dass wir Ausländer uns anpassen müssten. Vielmehr wollen alle mehr über unsere Kultur erfahren und versuchen sich uns anzupassen. Mein koreanische Freundin hat gehört, dass wir im Westen das Gefühl hätten Koreaner seien oft wütend und streitbar. Ein Trugschluss, der dadurch entsteht, das ihre Sprache sehr rau ist und sie kaum Mimik zeigen. Nun übt sie sich im lächeln. Die jungen Chinesen gewöhnen sich das Spucken ab und über mit Messer und Gabel zu essen. Sie sagen manchmal Danke, statt ein Kompliment bescheiden zurück zu weisen und sie suchen Körperkontakt. Das hat mich am meisten verwirrt. Da wird einem eingebläut, in Foren und Ratgebern, bloss nicht zu berühren, immer Abstand zu halten. Und dann kommen meine chinesischen Freunde, umarmen mich zur Begrüssung und hängen sich an meinen Arm. Ist das eine Behandlung die nur uns Laowai zukommt? Oder haben die Ratgeber sich einfach getäuscht?



Es ist eine sehr lehrreiche Erfahrung einmal Ausländer zu sein. Oft versuche ich mich von Aussen zu betrachten und ich frage mich: „Wie sehr grenze ich mich ab. Wie sehr passe ich mich an.“

Ich passe mich an in dem ich chinesisch lerne. Ich versuche bescheiden zu sein und weise Komplimente höflich zurück. Ich esse mit Stäbchen und lasse immer etwas vom Essen übrig, zum Zeichen, dass genug da war und ich satt bin. In der Schule bin ich gewissenhafter und versuche alle meine Hausaufgeben pünktlich zu erledigen. Und bald ist Chunjie, das chinesische Neu Jahr, da werde ich auch Süssigkeiten essen und das Schriftzeichen für Glück an meine Türe hängen.

Ich bemühe mich auch, den Chinesen ein möglichst gutes Bild von mir zu vermitteln, denn es ist ja gleichzeitig ein Bild von der Schweiz. So bin ich manchmal sogar höflicher, als ich es zu Hause wäre und biete alten Menschen meinen Platz im Buss an.

Aber ich grenze mich auch ab. Ich habe nicht die Geduld beim Einkaufen von Gemüse jedes Mal zu markten, es ist so schon billig genug. Und ich bewahre Schweizertraditionen. Schon seit Weihnachten sammle ich Zwiebelschalen, um an Ostern Eier zu färben. Ich nehme mir vor zwischen Fasnacht und Ostern keine Schokolade zu essen.

Beim Suchen nach der besten Mitte zwischen Anpassung und Bewahrung kommt mir immer wieder Jin Laoshi in den Sinn. In einer Stunde erklärte sie uns, warum sie gerne ausländische Schüler unterrichtet. „Ich lerne eine andere Kultur kennen und lerne so auch mehr über meine eigene Kultur. So kann ich Fehler erkennen und korrigieren, aber ich sehe auch, was gut ist und bewahrt werden sollte.“



Diese Aussage trifft auch auf mich zu. Und so mische ich oft. Ich bewahre das, was ich an der Schweiz liebe, und füge das hinzu, was an China bewundernswert ist. So kann ich nur gewinnen.

1 Kommentar: